Das Land der Extreme

Aloha und Grüße aus dem G-Zug von Peking nach Hangzhou, der mit einer Geschwindigkeit von etwa 300 km/h durch die Gegend brettert und daher nur fünf Stunden braucht. Hier sind wir von einem Extrem ins nächste gerutscht: Nach den lauschigen 37 Grad in Peking ist es hier im Zug dank Klimaanlage jetzt ziemlich frostig, aber heißer Grüntee und ein dicker Pulli regeln.

Gestern begann unser Tag mit einem Spaziergang durch die Hitze, unser Ziel war das Restaurant Da Dong, in dem es eine der besten Pekingenten überhaupt geben soll. Das war für mich zwar uninteressant, aber für Christopher eine einmalige Chance, und da Nina an diesem Morgen eh Unterricht hatte, ergriffen wir also diese Chance und gingen hin.

Das Restaurant sieht sehr edel aus und wir fühlten uns gleich underdressed, bis wir die anderen Gäste sahen, allesamt Chinesen in Panda-Jogginghosen und Schlabbershirts. Ein wenig seltsam war, dass das Personal die ganze Zeit awkward am Tisch herum stand und einen stellenweise anstarrte, wodurch man sich immer beobachtet fühlte.

Im Preis mit inbegriffen waren jedenfalls eine halbe Ente, zwei Beilagenplatten (mit Gurke, Melone, Zwiebel, Knoblauch, Zucker, eingelegtem Kohl und Pflaumensoße), im Bambuskorb gedämpfte Pfannkuchen, Sesambrötchen, Reissuppe und Melone auf Eis zum Nachtisch. Die Beilagen wurden immer sofort nachgeliefert, sobald sie leer waren. Die Ente wurde frisch am Tisch von einem der Köche tranchiert. Ich hab natürlich nur die Beilagen gegessen, was auch sehr lecker war. Insgesamt haben wir für alles zusammen knapp 20 Euro bezahlt. Ich denke mal, für das Geld würde sich in Deutschland kein Koch an den Tisch bequemen.

Jetzt zur Ente an sich, die Christopher in Worte fassen muss.

北京烤鸭 Pekingente:
(5 / 5)
💎

Es ist schwer in Worte zu fassen. Die Haut ist super schön knusprig und wenn man die in den Zucker dippt, ist das echt eine Geschmacksexplosion. Auch wenn man das Fleisch mit den Beilagen und der Soße in den Pfannkuchen packt, ist das ein besonderes Erlebnis für den Gaumen. Man schmeckt mit jedem Bissen die Zeit, Liebe und Geduld raus, die hinein geflossen ist. Wenn man hier Pekingente isst, wird einem sofort klar, warum es diese nicht überall gibt: Nicht etwa, weil das Rezept total geheim wäre, sondern weil man gute Zutaten braucht und diese mit viel Geduld verarbeiten muss. Definitiv ein einzigartiges Erlebnis zu einem unschlagbaren Preis.

Nach dem Mittagessen trafen wir uns dann mit Nina und Thomas, um Ninas Geburtstag zu feiern. Mit Nachmittagstee und frischem Obst gingen wir in den 圆明园, den alten Sommerpalastgarten. Dort fanden wir allerdings auch kaum Schutz vor der Hitze. Immerhin machten wir aber eine sehr schöne Bootstour über einen der Seen.

Danach zeigte uns Nina ihre Wohnung und ich bekam ein kaltes Fußbad, das meiner Migräne gut tat. Wir konnten uns alle etwas abkühlen und gegen Abend zogen wir wieder los zum Abendessen, das in einem veganen Buffetrestaurant stattfand. Es war echt entspannend, bei einem Buffet einfach mal alles essen zu können, ohne sich Gedanken über Fleisch und Fisch zu machen. Es gab sogar ein Gericht, das wie 糖醋里脊 (süß-saures Fleisch) schmeckte, nur in gut. Das vegane „Hühnchen“ schmeckte mir sogar zu authentisch, war echt gut gemacht.

Nach dem Abendessen wanderten wir zu KTV, der chinesischen Karaoke-„Bar“. Karaoke in China ist ganz anders als bei uns. Es gibt kein allgemeines Publikum, sondern man bucht für die eigene Gruppe ein Separee, wo man sich drei Stunden lang die Seele aus dem Leib singen kann. Wie immer hat das sehr viel Spaß gemacht.

Danach mussten Christopher und ich uns verabschieden, denn es war schon fast Mitternacht und unser Zug heute Morgen fuhr früh los, außerdem war das KTV ziemlich weit weg von unserem Hostel. Zum Glück fahren in Peking bis 4:30 Uhr Nachtbusse, das fand ich richtig genial und da können sich andere Städte gerne eine Scheibe abschneiden (ja, Shanghai, du bist gemeint). Nach 2 Stunden kamen wir dann an und konnten uns immerhin noch vier Stündchen Schlaf gönnen, hurra.

Anschließend möchte ich noch ein bisschen von meinen Eindrücken von Peking erzählen. Ich war ja schon zwei Mal dort gewesen, einmal im Mai 2014 und einmal im August 2015 und es ist einfach krass, wie sehr es sich seither verändert hat.

Da wäre erst mal die Sache mit dem Wetter. Als ich damals im August dort war, war es nicht so heiß wie jetzt im Mai. 37 Grad! Wahnsinn. Es war aber nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt habe. Nur am letzten Tag machte mir die Migräne zu schaffen.

Dann die ganze Image-Sache. Es ist so schade, dass alles authentische, urige, chinesische zugunsten des westlichen platt gemacht wird. Man findet in Peking kaum noch Streetfood und dergleichen. Das war 2014 noch ganz anders, ist aber keine allzu neue Entwicklung, denn 2015 gab es auch schon kaum noch was. Aber dass sie jetzt sogar die 小吃街 Snackstraße am Wangfujing abgerissen haben, das hat mich richtig schockiert und auch etwas traurig gestimmt.

Was ich auch richtig krass fand, ist die Umsetzung des Social Credit System. Während die in den anderen Städten eher subtil durchgezogen wird, sodass man fast schon das Gefühl hat, dass das ganze im Geheimen geschehen soll, wird in Peking sehr sehr offensiv damit umgegangen. Überall sieht man Propaganda für die umzusetzenden Kernwerte und selbst im Zug wurde mehrmals durchgesagt, dass sämtliche Verstöße gegen die Regeln, zB gegen das Rauchverbot, an das zuständige Büro gemeldet werden und Abzüge vom Score zur Folge haben. Mein Favorit war jedoch eine Videotafel, die wir an einer viel befahrenen Kreuzung sahen: Dort wurden alle, die zB bei rot über die Ampel gingen oder fuhren, in Großaufnahme gezeigt mit dem Kommentar: „Diese Person hat gegen die Regeln verstoßen, seid nicht wie diese Person!“ Wenn das nicht so erschreckend wäre, wäre das irgendwie fast schon lustig gewesen.

Jedenfalls hatten wir drei echt schöne Tage in Peking. Es war toll, Nina wiederzusehen, auf die ich natürlich echt stolz bin, und es war zugegeben auch ganz angenehm, als Vegetarier mal nicht in der Unterzahl zu sein, hihi.

Jetzt ist es nur noch eine knappe Stunde bis Hangzhou, das ja laut Chinesen das Paradies auf Erden sein soll. Wir freuen uns jedenfalls, das Hostel in Peking los zu sein. In dem Sinne bleibt fluffig und bis bald,

Eure reisenden Baozi (ich bin übrigens definitiv eins mit Schnittknoblauch und Rührei, die sind SO lecker)

Eine Antwort auf „Das Land der Extreme“

  1. Die Ente sieht wirklich perfekt aus! Sowas habe ich noch nie gesehen und man kann schon gut erkennen, dass das Restaurant fancy ist.
    Busse die lange noch bis in die Nacht fahren, wären überall eine bereicherung. In einer größeren Stadt musste ich mal um 12 ein Taxi nehmen. Die Ubahn fuhr nicht mehr oder nur stündlich oder so.
    Das mit der Ampel sah ich vor kurzem im TV und mit diesem System. Das ist total..bizarr. Dass es wirklich so ist und nicht bloß übertrieben berichtet wird, macht es noch gruseliger. Danke dass du es mal so erklärst. Sowas kann ich ja keinen Besuch fragen!

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